Verschiedene Wirkstoffe der Hanfpflanze interagieren miteinander und verändern gegenseitig ihre Effekte auf den menschlichen Körper. Die Medizin spricht vom Entourage-Effekt.

Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Sie weiß, dass es diesen Entourage-Effekt zwischen Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden gibt, denn: CBD kann die Wirkung von THC abschwächen und ein Vollspektrum-CBD-Öl hilft besser gegen Entzündungen als reines CBD etc. Die Faktenlage.

I. Was ist der Entourage-Effekt?

Der Entourage-Effekt beschreibt das Phänomen, dass die Wirkstoffe in der Hanfpflanze in Kombination miteinander eine größere Wirkung haben als jeder Wirkstoff für sich allein genommen. Cannabinoide, Terpene und Flavonoide interagieren miteinander, was zu einer synergistischen Wirkung führen kann.

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1. Breitspektum-CBD-Öl hemmt Entzündungen effektiver dank Entourage-Effekt

Entzündungshemmendes CBD-Öl mit Entourage-Effekt
Gegen Entzündung effektiver: Breitspektrum-CBD-Öle mit Entourage-Effekt.

Der Begriff Entourage-Effekt stammt aus einer Studie* aus 1998. An der Studie waren mit Raphael Mechoulam und Shimon Ben-Shabat zwei berühmte Pioniere der Cannabis-Forschung beteiligt. Das Forschungsteam fand heraus:

Körpereigene Lipide wie 2-linoleoyl-glycerol (2-Lino-Gl) und 2-palmitoyl-glycerol (2-Palm-Gl) scheinen die biologische Aktivität des Endocannabinoids 2-Arachidonoyl-Glycerol (2-Ara-Gl) im menschlichen Körper zu verändern. Durch sie dockt das körpereigene Cannabinoid anscheinend verstärkt an die Rezeptoren im menschlichen Körper an.

Bei einer Definition des Entourage-Effekts geht es immer um diese Interaktion und mögliche Auswirkungen. Ein Beispiel: Cannabidiol (CBD) gehört zu den wichtigsten Cannabinoiden in der Cannabispflanze. Ihm werden verschiedene positive Wirkungen auf die menschliche Gesundheit nachgesagt. So soll es etwa dazu beitragen, Entzündungen zu hemmen. Einige der Wirkungen sind erwiesen. Deshalb gilt: CBD hat eine Wirkung auf den Körper, die sich medizinisch nutzen lässt.

Patienten können CBD unter anderem als Isolat gelöst in einem Trägeröl zu sich nehmen. Isolat bedeutet: Im Öl sind neben dem CBD keine anderen Stoffe der Cannabispflanze enthalten. CBD kann aber auch Bestandteil eines Breitspektrum-Extrakts mit mehreren Cannabis-Inhaltsstoffen sein. Eine Studie im Rahmen einer Doktorarbeit** lieferte 2008 Indizien dafür, dass ein Breitspektrum-Öl Entzündungen besser hemmt als ein Isolat. Das ist ein Hinweis auf die Existenz eines Entourage-Effekts. „Entourage“ ist Französisch und bedeutet so viel wie Gefolgschaft und Umgebung. Auf die Cannabispflanze übertragen sind Stoffe in der Umgebung eines bestimmten Stoffs gemeint, der gerade im Fokus des Betrachters steht und eventuell mit den anderen Stoffen interagiert.

Quellen

2. Der CBD-Östrogen-Entourage-Effekt

CBD-Östrogen-Entourage-Effekt
Östrogen und CBD: Eine Studie mit Mäusen zeigt eine Wechselwirkung, aber das ist kein Entourage-Effekt.

Oft bemüht, aber leider ein Denkfehler. Die Entourage-Definition, wie sie unter anderem die Deutsche Apotheker-Zeitung und das Portal Leafly.de anführen, besagt: Der Entourage-Effekt beschreibt die gegenseitige Unterstützung von Inhaltsstoffen der Cannabispflanze. Die wiederum interagieren mit körpereigenen Stoffen. Eine präklinische Studie der Rutgers University* mit Mäusen lieferte Indizien dafür, dass CBD bei einem Mangel des weiblichen Geschlechtshormons dazu beiträgt, Beschwerden zu lindern. Das belegt zwar einen möglichen Einfluss von CBD auf Östrogen, es ist laut Definition dennoch kein klassischer Entourage-Effekt, weil das CBD nicht mit anderen Cannabis-Inhaltsstoffen interagiert, sondern mit dem körpereigenen Östrogen.

*Sui, K. et al.: Cannabidiol-Treated Ovariectomized Mice Show Improved Glucose, Energy, and Bone Metabolism With a Bloom in Lactobacillus. Front. Pharmacol., 21 June 2022, Sec. Integrative and Regenerative Pharmacology, Volume 13 – 2022 | https://doi.org/10.3389/fphar.2022.900667

II. Wertvolle Hanf-Wirkstoffe: Cannabinoide, Terpene und Flavonoide

Hanfblätter, die den Entourage-Effekt auslösen können.
Die Hanf-Wirkstoffe sind berühmt für ihren Entourage-Effekt.

Zu den Inhaltsstoffen in der Hanfpflanze gehören vor allem Cannabinoide, Terpene und Flavonoide. Die große Zahl der Hanf-Wirkstoffe birgt reichlich Potenzial für effiziente Kombinationen, welche die Wirksamkeit isolierter Einzelstoffe übertreffen. Sie verkompliziert allerdings den Nachweis, welche Wirkstoffe tatsächlich miteinander für einen Entourage-Effekt sorgen und wie dieser Effekt im konkreten Fall aussieht.

Cannabisarten gibt es nur wenige: Cannabis sativa, Cannabis indica und Cannabis ruderalis, wobei die beiden letztgenannten je nach Definition nur Unterarten von Sativa sind. Die Zahl der Cannabissorten ist weitaus höher, weil durch Kreuzungen immer wieder neue entstehen. Sie unterscheiden sich in den enthaltenen Wirkstoffen und Wirkstoffmengen teils deutlich voneinander. Das bedeutet auch: Sie wirken auf den menschlichen Körper unterschiedlich. Lässt sich ein Entourage-Effekt bei einer Cannabissorte nachweisen, ist das für eine andere Sorte eventuell irrelevant. Der Effekt entsteht möglicherweise durch Stoffe, die in ihr gar nicht oder kaum enthalten sind.

Gut zu wissen: Selbst Pflanzen einer Cannabis-Sorte können sich in der Konzentration der Inhaltsstoffe unterscheiden. Zwar tragen die Cannabis-Samen einer Sorte dasselbe Erbgut in sich, aber Cannabispflanzen reagieren in ihrer Entwicklung stark auf Umweltfaktoren.

1. CBD verändert die THC-Wirkung

THC, CBD und Entourage-Effekt
Pflanzenstoffgemische mit CBD und THC sollen eine höhere biologische Aktivität besitzen und Synergie-Effekte für die Wirksamkeit bieten.

Die wichtigste Gruppe der Inhaltsstoffe einer Cannabispflanze sind die Cannabinoide. Gemeint sind Stoffe, die mit den sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren im menschlichen Körper interagieren können. Viele Cannabinoide sind Inhaltsstoffe der Cannabispflanze, aber keineswegs alle. Einige, nämlich die Endocannabinoide, kommen auch im menschlichen Körper vor. Bekannt sind im menschlichen Körper die beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2. CB1-Rezeptoren sollen unter anderem das Gedächtnis, die Psyche, das Schmerzempfinden und die Motorik beeinflussen. Die CB2-Rezeptoren sollen ebenfalls auf das Schmerzempfinden wirken und auch Entzündungen reduzieren.

Wie die Endocannabinoide können die Cannabinoide der Cannabispflanze mit den Rezeptoren interagieren und tragen so zur Cannabis-Wirkung auf den Körper eines Menschen bei. Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind die beiden bekanntesten Cannabinoide. Im Hanf kommen überwiegend ihre Vorstufen THCa und CBDa vor. Sie werden erst durch Erhitzen in THC und CBD umgewandelt. THC ist das psychoaktive Cannabinoid im Cannabis, während CBD keine psychoaktive Wirkung besitzt.

THC ist ein den Brechreiz unterdrückendes Cannabinoid, das zudem sedierend und relaxierend wirken kann. CBD soll Entzündungen hemmen, Krämpfe lösen und Ängste reduzieren. THC und CBD sind nicht alle Cannabinoide, die in der Cannabispflanze nachweisbar sind. Es gibt über hundert weitere, von denen Cannabigerol (CBG) das bekannteste ist. Betrachtet man nur die Cannabinoide, heißt Entourage-Effekt: Cannabinoide beeinflussen die Wirkung anderer Cannabinoide. Untersucht wurde das bei CBD und THC. Einige Studien deuten darauf hin, dass CBD die Wirkung von THC verändert.

2. Terpene und Terpenoide: Ihr Profil bestimmt den Charakter der Pflanze

Terpene sind eine heterogene Stoffgruppe. Allen Stoffen aus der Gruppe ist gemeinsam, dass ihr chemisches Grundgerüst auf dem des ungesättigten Kohlenwasserstoffs Isopren (2-Methylbuta-1,3-dien) basiert. Streng genommen lassen sich Terpene und Terpenoide unterscheiden, wobei Letztere als Untergruppe der Terpene gelten.

Terpene (und Terpenoide) kommen in allen Pflanzen vor, also auch in der Cannabispflanze. Mittlerweile haben Wissenschaftler etwa 8.000 Terpene und mehrere 10.000 Terpenoide identifiziert. Sie können Fressfeinde der Pflanze abwehren oder Insekten anlocken, welche die Blüten bestäuben.

In der Cannabispflanze gibt es über 100 Terpene und Terpenoide. Sie tragen gemeinsam mit den Cannabinoiden zum therapeutischen Potenzial von Cannabis bei. So sollen Alpha-Pinen und Limonen Terpene unter anderem gegen Angstzustände wirksam sein. Möglicherweise hat Alpha-Pinen zudem eine Wirkung auf die Atemwege, die sich bei Krankheiten wie Asthma nutzen lässt. Myrcen ist ein Terpen, dem eine entzündungshemmende und entspannende Wirkung nachgesagt wird.

Dagegen wird Camphen in der traditionellen Medizin bei Bakterien- und Pilzinfektionen eingesetzt. Konsumenten können im Handel reine Terpene kaufen. Sie sollen anderen Produkten ein spezielles Aroma verleihen. Terpene spielen auch beim Entourage-Effekt eine Rolle. Eine Kombination verschiedener Stoffe könnte nicht nur bei den Cannabinoiden untereinander eine Wirkung erzeugen, die über die der einzelnen Stoffe hinausgeht. Auch im Zusammenspiel von Cannabinoid und Terpen wird von einem Entourage-Effekt ausgegangen.

3. Die vier F: Flavonoide, Flavanole, Flavone und Flavonole

Blutdruck, der mithilfe von Flavonoiden und Entourage-Effekt behandelt werden kann, wird gemessen.
Flavonoide können durch den Entourage-Effekt den Blutdruck senken.

Es gibt noch weitere Inhaltsstoffe der Cannabispflanze, zu denen die Flavonoide zählen. Sie spielen für den Blick auf den Entourage-Effekt bisher eine untergeordnete Rolle.Aber sie könnten ebenfalls zu solch einem Effekt beitragen, der die Cannabis-Wirkung im menschlichen Körper verändert.

Flavonoide gehören zu den Polyphenolen und haben eine gemeinsame Grundstruktur, das sogenannte Flavan. Es gibt diverse Untergruppen wie Flavanole, Flavone und Flavonole. Zu den Aufgaben von Flavonoiden kann die Farbgebung der Blüten von Pflanzen gehören. Manche dienen dem Schutz vor UV-Licht. Und wie einige Terpene, können diverse Flavonoide Pflanzen vor Fressfeinden schützen. In der Hanfpflanze gibt es unter anderem die Flavonoide Cannflavin A und B, Quercetin und Kaempferol. Wie bei anderen Stoffen gilt auch hier: Diverse Studien liefern Indizien für einen möglichen positiven Einfluss auf die menschliche Gesundheit. So könnte das Flavonoid Quercetin zum Schutz des Herzens und der Blutgefäße beitragen und den Blutdruck senken. Orientin ist möglicherweise hilfreich bei Therapien gegen Schmerzen aufgrund eines gestörten Nervensystems (neuropathische Schmerzen). Isovitexin gilt als Flavonoid mit einer entzündungshemmenden Wirkung.

4. Hanfprodukte und Tiere: Bitte Vorsicht!

Schockierte Katze, die nicht mit allen Terpenen behandelt werden darf.
Hanfprodukte: Was dem Menschen hilft, kann Tieren schaden.

Wie das Zusammenspiel von Cannabinoiden, Terpenen, Flavonoiden auf einen Organismus wirkt, unterscheidet sich bisweilen stark bei Mensch und Tier. Gewarnt wird zum Beispiel pauschal davor, Katzen Terpene enthaltende Produkte zu verabreichen. Das ist so nicht richtig, denn längst nicht alle Terpene sind problematisch für die Tiere.

Aber das Bundesinstitut für Risikobewertung warnte beispielsweise bereits 2007 vor einigen Teebaumöl-Produkten. Teebaumöl-Produkte seien zur Fellpflege von Katzen nicht ausnahmslos geeignet, da ihr Stoffwechsel die „im Teebaumöl enthaltenen Terpene und Phenole kaum abbauen“ kann. Vorsichtig sollten Tierbesitzer auch bei Extrakten sein, die Inhaltsstoffe von Cannabis enthalten. Denn was für Menschen gedacht ist, ist nicht automatisch für Tiere geeignet.

III. Entourage-Effekt: die Studienlage

Frau, die an einer Studie über den Entourage-Effekt forscht.
Dünne Studienlage: Um den Entourage-Effekt besser zu verstehen, ist noch viel Forschungsarbeit nötig.

Auch beim Entourage-Effekt gilt: Es gibt viele Behauptungen. Am Ende zählen aber die Beweise. Die kann nur die Wissenschaft in Form von Studien liefern. Wichtig ist dabei, die Beweiskraft einer Studie richtig ein- und nicht zu überschätzen. Das gilt etwa für Versuche mit Zellkulturen. Sie können Wissenschaftlern Hinweise darauf geben, wie ein Zusammenspiel von Inhaltsstoffen beim Menschen wirken könnte. Nicht mehr.

1. Vollspektrum-CBD-Öl ist bei Entzündungen besser als reines CBD

Vollspektrum-CBD-Öl für einen besseren Entourage-Effekt.
Vollspektrum-CBD-Öl: Effektiver bei Entzündungen.

Die israelischen Forscher Ruth Gallily, Zhannah Yekhtin und Lumír Ondřej Hanuš untersuchten in einer 2015 veröffentlichten Studie die Wirkung von reinem CBD und einem Cannabis-Extrakt namens Klon 202 auf Entzündungen bei Mäusen. Das Extrakt enthielt unter anderem 17,9 Prozent CBD sowie jeweils 1,1 Prozent der Cannabinoide THC und CBC (Cannabichromen). Sowohl das Vollspektrum-CBD-Öl als auch das reine CBD trugen dazu bei, die Entzündungen zu hemmen.

Beim reinen CBD optimierte eine ansteigende Dosis diese Wirkung aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wurde die Dosis weiter erhöht, wirkte das CBD wieder schlechter. Die Wirkung hatte also einen glockenförmigen Verlauf. Beim Cannabis-Extrakt stieg die Wirkung dagegen mit der Dosis linear an und sank nicht wieder nach einer bestimmten Dosierung. Irgendwann verbesserte sie sich aber nicht mehr mit weiter, sondern blieb auf dem gleichen Niveau.

Erkennbar wurde noch etwas anderes zur CBD-Wirkung in der Studie: Beim reinen CBD war die dreifache Menge des Stoffs erforderlich, um dieselbe Wirkung wie beim Extrakt zu erzielen. Es ist wahrscheinlich, dass dafür das Zusammenspiel verschiedener Cannabis-Wirkstoffe und damit ein Entourage-Effekt verantwortlich ist.

2. Terpene können die Wirkung von Cannabinoiden nachahmen

Nachahmung der Terpene von Cannabinoiden wird an Mäusen getestet.
Terpene: Können das Verhalten von Mäusen verändern.

Die Wissenschaftler Justin E. LaVigne, Ryan Hecksel, Attila Keresztes und John M. Streicher untersuchten in einer 2021 veröffentlichten Studie* die Wirkung der Terpene α-Humulen, Geraniol, Linalool und β-Pinen. Die Terpene wurden alleine und in Kombination mit WIN55,212, einem synthetischen Cannabinoid, verwendet. Für die Studie wurden Versuche mit Mäusen ergänzt durch weitere Versuche ohne Tiere.

Laut Studie können die genannten Terpene bei Mäusen Verhalten oder Eigenschaften hervorrufen, die durch den sogenannten Cannabinoid-Tetrad-Test gemessen werden: hyperaktive Bewegungen, eine reduzierte Körpertemperatur, reduziertes Schmerzempfinden sowie eine starre Muskulatur und eine starre Haltung. Der Test wird zum Screening von Medikamenten genutzt, die auf die CB1-Rezeptoren im menschlichen Körper wirken.

Die Studie ergab, dass die genannten Terpene auf die Rezeptoren ähnlich wie die Cannabinoide wirken und dass sich die Wirkung bei der Kombination der Terpene mit dem Cannabinoid WIN55,212 verstärkte. Fast alle Effekte zeigten sich bei männlichen und weiblichen Mäusen in gleicher Weise. Anders war das bei der Kombination des Terpens Linalool mit WIN55,212-2. Bei den Männchen setzte die Wirkung der Kombination früher als bei den Weibchen ein und war größer als bei der alleinigen Vergabe von Linalool. Dagegen wirkte die Kombination bei den Weibchen nicht stärker als das Linalool alleine.

Die Autoren schlossen aus den Gesamtergebnissen, dass die Aktivität der Terpene die Hypothese eines Entourage-Effekts konzeptionell stützt und dass sich Terpene eventuell dafür verwenden lassen, therapeutische Eigenschaften von Cannabinoiden zu verbessern.

*LaVigne, J.E., Hecksel, R., Keresztes, A. et al. Cannabis sativa terpenes are cannabimimetic and selectively enhance cannabinoid activity. Sci Rep 11, 8232 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-87740-8

3. CBD bei Epilepsie: Vollextrakt schlägt Isolat

Eine 2018 publizierte Metaanalyse* von Beobachtungsdaten untersuchte mögliche klinische Vorteile von CBD-reichen Cannabisextrakten gegenüber gereinigtem CBD bei einer behandlungsresistenten Epilepsie. Studienautoren waren die brasilianischen Forscher Fabricio A. Pamplona, Lorenzo Rolim da Silva und Ana Carolina Coan. Laut der Analyse scheinen die Extrakte bei der Patientengruppe besser zu wirken als isoliertes CBD. Die Studienautoren nennen synergistische Wirkungen von CBD mit anderen Phytoverbindungen und damit einen Entourage-Effekt als Ursache.

*Pamplona FA, da Silva LR, Coan AC. Potential Clinical Benefits of CBD-Rich Cannabis Extracts Over Purified CBD in Treatment-Resistant Epilepsy: Observational Data Meta-analysis. Front Neurol. 2018 Sep 12;9:759. doi: 10.3389/fneur.2018.00759. Erratum in: Front Neurol. 2019 Jan 10;9:1050. PMID: 30258398; PMCID: PMC6143706.

4. CBD und THC: Eine komplizierte Beziehung

Vaporizer mit Cannabis in einer Studie über CBD, THC und Entourage-Effekt.
CBD und THC: Viel vom einen schwächt das andere?

Ein australisches Forschungsteam rund um die Wissenschaftlerin Nadia Solowij untersuchte in einer 2019 veröffentlichten Studie* das Zusammenspiel zwischen CBD und THC. CBD soll dazu beitragen können, mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen von THC zu verändern. Insgesamt nahmen 36 Personen an der randomisierten, placebokontrollierten Studie teil. Jeweils die Hälfte von ihnen konsumierte Cannabis regelmäßig oder eher selten.

Die Probanden inhalierten mithilfe eines Vaporizers im Verlauf von fünf Sitzungen im wöchentlichen Abstand verschiedene Stoffe oder Stoffmischungen. Zu ihnen gehörten isoliertes THC und CBD, ein Placebo sowie Mischungen aus THC und CBD. Bei den Mischungen variierte der CBD-Gehalt zwischen 4 und 400 Milligramm. Bewertet wurde die jeweilige Wirkung auf die Probanden dann durch sie selbst und Experten.

Bei den Wirkstoffmischungen zeigte sich ein interessanter Effekt: Laut der Studie verstärkte eine niedrige Dosis CBD die berauschende Wirkung von THC, während eine hohe CBD-Menge dessen Rauschwirkung abschwächte. Die Art, wie CBD die Wirkung von THC beeinflusst, ist damit möglicherweise komplexer als ursprünglich vermutet.

*Solowij, N., Broyd, S., Greenwood, L.-M., van Hell, H., Martelozzo, D., Rueb, K., Todd, J., Liu, Z., Galettis, P., Martin, J., Murray, R., Jones, A., Michie, P. T. & Croft, R. (2019). A randomised controlled trial of vaporised Δ9-tetrahydrocannabinol and cannabidiol alone and in combination in frequent and infrequent cannabis users: acute intoxication effects. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, https://doi.org/10.1007/s00406-019-00978-2.

IV. Entourage-Effekt wird unbegründet überschätzt

Warnschild vor den Versprechen über Entourage-Effekt.
US-Forscher: Warnung vor zu hohen Heilversprechen durch den Entourage-Effekt.

2020 setzte sich Peter S. Cogan von der Regis-University in Denver (Colorado) in einer Analyse* kritisch mit dem Entourage-Effekt und den mit ihm verbundenen Erwartungen auseinander.

Die Literatur zum Entourage-Effekt ist ungerechtfertigt optimistisch in Bezug auf die vermuteten Vorteile, was häufig in unbegründete Marketingbehauptungen mündet.

Peter S. Cogan

Es fehlen aus seiner Sicht aussagekräftige klinische Daten, welche die Existenz des Entourage-Effekts als ein überprüftes Phänomen mit vorhersagbar vorteilhaften Ergebnissen belegen. Darüber hinaus sieht Cogan Bedarf an einer verantwortungsvolleren Berichterstattung zum Thema. Er leugnet den Entourage-Effekt damit nicht. Er hält ihn auch nicht für eine reine Marketingerfindung. Aber er warnt vor Heilsversprechen, welche die aktuelle Faktenlage nicht hergibt.

*Cogan PS. The ‚entourage effect‘ or ‚hodge-podge hashish‘: the questionable rebranding, marketing, and expectations of cannabis polypharmacy. Expert Rev Clin Pharmacol. 2020 Aug;13(8):835-845. doi: 10.1080/17512433.2020.1721281. Epub 2020 Mar 2. PMID: 32116073.

1. Entourage-Effekt: Ohne weitere Studien keine Gewissheit

Hand hält mehr Ideen für Studien über den Entourage-Effekt.
Um den Entourage-Effekt gezielt zu nutzen zu können, bedarf es noch viel Forschungsarbeit.

Dass sich verschiedene Inhaltsstoffe von Cannabis gegenseitig beeinflussen, wird durch viele Studien belegt. Deutlich weniger Studien liefern allerdings Hinweise, inwieweit solch ein Zusammenspiel zu einem nachweisbaren Entourage-Effekt mit positiver Wirkung auf die menschliche Gesundheit führt. Um den Entourage-Effekt künftig medizinisch noch besser als bisher zu verstehen und zu nutzen, werden sich Medizin und Wissenschaft zwei großen Herausforderungen zu stellen haben:

  • Sie werden den Entourage-Effekt weiter erforschen müssen, um gesicherte Erkenntnisse für Wirkungen auf den Menschen zu gewinnen.
  • Um die Wirksamkeit von Cannabisblüten umfassend zu beurteilen, muss das Terpenprofil neben den Cannabinoiden verstärkt einbezogen werden. Ein möglicher Entourage-Effekt durch die Kombination der Cannabinoide mit Terpenen kann das therapeutische Potenzial der Cannabispflanze vergrößern. Er verkompliziert aber auch die Auswahl der optimal geeigneten Cannabissorte.

Fazit: Viele Theorien, viele gute Ansätze, aber die Erforschung der Interaktionen verschiedener Cannabis-Inhaltsstoffe mit dem menschlichen Körper birgt noch viele Geheimnisse.

Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zu einem Gesundheitsthema und dient somit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls einen Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen unsere Redakteure nicht beantworten.

V. Bildquellen zum Ratgeber: „Entourage-Effekt: Geheimnisvolle Wechselwirkungen“

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Aug 30, 2018
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Cannabis Grundlagen
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